Freude am Lernen
Ist das möglich und wenn ja, wie kann es gelingen?
Seit 2003 arbeite ich selbstständig und habe dabei viele Menschen auf ihrem Weg begleitet. Dass ich heute als Trainerin arbeite, hat sich auf meinem Weg ergeben, weil ich meiner Berufung gefolgt bin.
Gerade im Coaching merke ich immer wieder, dass das, was uns daran hindert authentisch, erfüllt, gesund und glücklich zu leben, häufig auf einen Mangel an Selbstwert, Selbstvertrauen und Selbstliebe zurückzuführen ist.
Wir sind blockiert oder besser gesagt, wir lassen uns blockieren durch unsere destruktiven Glaubenssätze, überholte Überzeugungen, Konditionierungen, hinderliche Prägungen, Muster und Gewohnheiten.
Ich beobachte, wie viele Träume und großartige Ideen nicht umgesetzt werden, weil die Glaubenssätze wie z.B. „Das kann ich nicht“, „Darin bin ich nicht ausgebildet“, „Dafür bin ich nicht gut genug“, „dafür bin ich zu alt“ wirken und verhindern, dass wir überhaupt anfangen unsere Träume umzusetzen und unserer Berufung zu folgen.
Wir wachsen in einer Leistungs- und Konsumgesellschaft auf, in der materielle Werte über immaterielle Werte gestellt werden. Es gilt das Motto: „Höher, Schneller, Weiter, Besser sein“. Dadurch lassen wir uns viel zu sehr von unserem Verstand leiten, als den Weg unseres Herzens zu gehen und der Freude zu folgen.
Wir werden geprägt von der Gesellschaft in der wir aufwachsen und unserem persönlichen Umfeld. Wir verbringen viel wertvolle Lebenszeit in der Schule und in einem Schulsystem mit einem Lehrplan, der einer Leistungs- und Konsumgesellschaft entspricht. Wohin uns das gebracht hat, können wir meines Erachtens gerade in der Gesellschaft und den aktuellen Krisen hautnah beobachten.
Ich beobachte, wieviele Kinder, Familien, Eltern und auch Lehrer unter diesem System leiden.
Ich beobachte, wieviel Raum Schule, Lernen, Leistungsdruck, Schulwahl und Abschlüsse in Familien einnimmt und wieviele Konflikte dadurch entstehen.
Ich beobachte, wie Kindern ihre natürliche Freude am Lernen, ihr unendlicher Entdeckergeist, ihre natürliche Neugierde und ihr Glitzern in den Augen immer mehr verloren geht, wenn der Leistungsdruck zu groß wird und die Freizeit immer knapper bemessen ist.
Ich beobachte, wie hochmotivierte Lehrer leiden, weil sie einerseits an den Lehrplan gebunden sind, andererseits optimalerweise den Kindern die Freude am Lernen erhalten wollen und sich zusätzlich mit den unterschiedlichen Einstellungen, Haltungen und Ängsten der Eltern dieser Kinder auseinander setzen müssen.
Ich beobachte, wie immer mehr Kinder mit Stempeln und Krankheiten versehen werden: ADS, ADHS, Konzentrationsstörungen, Legasthenie, Dyskalkulie, um nur einige zu nennen.
Zusätzlich nehmen die psychischen Belastungen, Beschwerden und Krankheiten, selbst schon bei Kindern, immer mehr zu. Die Praxen von Psychologen, Psychiatern und Kinderpsychologen sind auf Monate ausgebucht.
Ich beobachte, wie händeringend mehr Schulpsychologen gesucht werden, um die belastenden Kinder zu begleiten und um Konflikte im Schulalltag zu bewältigen.
Ist das eine sinnvolle und vor allem nachhaltige Lösung? Ich glaube nicht!
Nachhilfeinstitute, Lerntherapeuten und Lerncoaches sind gefragt wie nie.
Kann es eine zufriedenstellende Lösung sein, dass neben der Schule und den Hausaufgaben noch mehr gelernt werden muss?
Ist es eine langfristige Lösung immer nur an Defiziten und Schwächen herumzudoktern?
Fördert es die Freude am Lernen, wenn Hobbys und Freizeit, also alles, was den Kindern wirklich Spaß macht und Freude bereitet, wegfällt, weil keine Zeit mehr übrig bleibt? Aktivitäten bei denen sie z. B soziale Kompetenzen entwickeln, wie z.B. Teamgeist, Zusammengehörigkeit, Freundschaft, Verbundenheit, Freude, Vertrauen. Dinge, bei denen sie Selbstvertrauen und Selbstwert bilden und stärken können.
Wäre es nicht sinnvoller die individuellen Stärken und Potentiale eines Kindes zu erkennen und es bei deren weiterer Entfaltung zu begleiten und zu unterstützen?
Würde das nicht den Selbstwert, das Selbstvertrauen und die Selbstliebe stärken und letztendlich dazu beitragen, dass wir alle in einer Gemeinschaft leben könnten, die friedlich, würdevoll und achtsam miteinander umgeht?
In einer Gemeinschaft in der Menschlichkeit und Mitgefühl nicht nur leere Worthülsen sind?
Ich beobachte, wieviele Konflikte in Familien durch den Druck im Schulsystem und die damit verbundenen Ängste, entstehen und ein harmonisches Miteinander zerstören.
Die Lösung kann doch nicht sein, den Druck immer mehr zu erhöhen und dann Symptome und Krankheiten zu behandeln und/oder dauerhaft Defizite mit Nachhilfe und Extraaufgaben notdürftig auszubessern, nur um irgendwie durchzukommen.
Ich denke, wir wissen alle aus eigener Erfahrung, dass Spaß am Lernen anders aussieht.
Ich denke auch, dass Kinder prinzipiell keine Angst haben zu versagen oder nichts zu werden, wenn wir unsere eigenen Ängste nicht auf sie übertragen.
KINDER SIND SCHON, wenn sie zu uns kommen.
Sie müssen nicht erst etwas werden!
Sie bringen einen unendlichen Schatz an Potentialen mit. Sie kommen auf die Erde um Erfahrungen zu machen, sie wollen lernen. Aber mit Begeisterung und Freude.
Wir alle waren doch auch mal Kinder.
Erinnern wir uns wieder daran.
Erinnern wir uns wieder daran, wann wir mit Begeisterung und hochmotiviert gelernt haben!
„Kinder sind keine Fässer, die gefüllt werden müssen.
Sie sind Feuer und sie sind Flammen, die nicht gelöscht werden sollten“
Alle Beteiligten, auch in der Politik, wissen doch, wo das eigentliche Problem mit unserem Schulsystem liegt. Warum beseitigt man das Problem nicht an der Wurzel?
Weil es dann nicht mehr einer Leistungs- und Konsumgesellschaft gerecht wird?
Oder weil man nicht weiß, wie so ein staatliches Schulsystem und ein Lehrplan aussehen soll, in dem die individuellen Potentiale gefördert werden und bei dem Lernen Spaß macht?
Oder weil viel zu viele immer noch an überholten Glaubensmustern festhalten und Angst haben, dass ihre Kinder am sozialen Abgrund landen, wenn sie kein Abitur und abgeschlossenes Studium haben?
Ich selbst bin und war schon immer ein Freigeist. Ich kam mit unserem Schulsystem ab dem Gymnasium und insbesondere mit dem dortigen Leistungs- und Beurteilungssystem nicht klar. Ich bin nach der 8. Klasse vom Gymnasium abgegangen, habe dann einen Hauptschulabschluss gemacht und wollte anschließend an der weiterführenden Schule die mittlere Reife nachholen. Ich war schon angemeldet. In den Ferien dazwischen habe ich einen Ferienjob gemacht, an dessen Ende man mir einen Ausbildungsplatz angeboten hat. Ich habe zugesagt, weil mich das Angebot schon Geld zu verdienen gelockt hat. In diesem Unternehmen habe ich insgesamt 12 Jahre gearbeitet und habe dort relativ schnell meinen Platz in der Führungssebene gefunden. Das hat mein angeknackstes Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein wieder gestärkt und so habe ich dann berufsbegleitend mein Fachabitur und ein Fernstudium zur Betriebswirtin nachgeholt.
Heute mache ich nicht mehr viel von dem, was ich in der Schule oder im Studium gelernt habe. Natürlich nutze ich einiges von dem was ich dabei gelernt habe. Aber am meisten habe ich vom Leben und den praktischen Erfahrungen gelernt.
Heute mache ich dass, was mir wirklich Freude macht und meinem wahren Potential entspricht.
Ich arbeite nicht in einem Beruf, ich lebe meine Berufung, immer mehr.
Dafür habe ich mich natürlich auch ständig weitergebildet und mache das auch heute noch. Meine Motivation war und ist dabei aber immer meine Neugierde, mein Entdeckergeist und die Freude Neues zu lernen und zu erfahren.
Ich weiß also, aus eigener Erfahrung, dass es auch anders geht.
Auf diesen eigenen Erfahrungen basierend und dem was ich bei Kindern und Erwachsenen im Umfeld beobachte, glaube ich, dass eben durch dieses Leistungs- und Beurteilungsprinzip viele wertvolle Potentiale bei Menschen zerstört werden und Selbstvertrauen, Selbstwert und Selbstliebe den Selbstzweifeln, der Selbstkritik und ständigem Leistungsdruck Platz machen.
Schon in der Grundschule ist der Notendruck groß und besonders beim Übertritt in der 4 Klasse nimmt er meiner Meinung nach sehr ungesunde Ausmaße an.
Ich bin selbst Mutter von zwei schulpflichtigen Kindern, 9 und 11 Jahre alt. Mein Sohn besucht gerade die 3 Klasse der Grundschule, meine Tochter die 7 Klasse im Gymnasium. Das war ihr eigener Wunsch. Schon nach 2 Wochen in der Grundschule, war für sie klar, dass sie auf das Gymnasium gehen will und auch auf welches sie gehen will. Sie lernt aus sich heraus und braucht in den seltensten Fällen Unterstützung. Für sie passt es und sie kommt in diesem System gut klar. Aber erstens geht das nicht allen Kindern so und zweitens würde ich mir wünschen, dass unsere Kinder in der Schule schon individueller und freier lernen könnten und dass man den Bereichen Bewegung und Kreativität in welcher Form auch immer mehr Raum geben würde.
Wenn es alleine nach mir gegangen wäre, wären unsere Kinder Freilerner und wir würden heute vermutlich in einem Land leben, in dem das möglich ist.
Aber zur Einschulung unserer Tochter war mein Mann dazu noch nicht bereit und die Liebe und Verbundenheit mit unseren Familien und Freunden hier in Deutschland hat uns letztendlich davon abgehalten.
Da in Deutschland Schulpflicht besteht, habe ich mich also intensiv mit Alternativen zum staatlichen Schulsystem beschäftigt und unserem Kind verschiedene Alternativen aufgezeigt. Sie hat sich dann aber für die staatliche Schule entschieden, wo sie Klassenkameraden hat, die in der Nachbarschaft leben.
Und so war ich gefordert, mir meine eigenen Widerstände, Ängste und Themen, die mit dem Schulsystem verbunden waren, anzuschauen und zu wandeln.
Zum Glück sind weder mir noch meinem Mann die Noten wichtig, uns ist es auch nicht wichtig, ob und welchen Abschluss unsere Kinder machen. Wir vertrauen ihnen und wir wissen, sie werden ihren Weg gehen, ob mit Mittelschule, Realschule oder Gymnasium. Uns ist es wichtig, das unsere Kinder glücklich sind und Freude haben.
Wenn wir feststellen, dass etwas für unsere Kinder nicht mehr passt, leiten wir die Änderungen ein.
Durch diese Einstellung läuft bei uns Schule vermutlich so leicht, wie sie läuft. Wenn unsere Kinder nach Hause kommen und ich sie frage: „Wie war Dein Tag heute“, bekomme ich öfter mal die Antwort: „Langweilig“. Meine nächste Frage lautet dann: „Warum gehst Du dann hin?“. Sie wissen, wir würden es jederzeit ändern, wenn sie leiden oder wir als Familie darunter leiden würden. Wir würden nach einem Weg suchen, der für alle Beteiligten passt und wir würden ihn gehen, mit allen Konsequenzen.
Obwohl Schule bei uns meistens ganz leicht geht, habe ich in meinem Wirkungskreis viel versucht, sowohl auf persönlicher als auch politischer Ebene und mich für andere Sichtweisen, Perspektivenwechsel und ein neues Schulsystem engagiert, bin aber sehr oft gegen Wände gelaufen.
Ich habe es versucht und versuche es weiter, weil ich mir für unsere Kinder und unsere Gesellschaft ein anderes Schulsystem wünsche. Ein Schulsystem, dass an die neuen Herausforderungen angepasst ist. Weil ich glaube, dass wir mehr Frieden in der Welt hätten, mehr Menschlichkeit erfahren würden, wenn es uns auch im Schulalltag gelingt, Potentiale zu entfalten, Selbstliebe, Selbstwert und Selbstvertrauen zu stärken und zu erhalten. Weil ich glaube, wir müssen neu denken und anders handeln, wenn wir die aktuellen Krisen bewältigen wollen.
Leider ist die Bereitschaft etwas zu ändern oder sich dafür zu engagieren nicht sehr hoch. Vielleicht, weil der Leidensdruck noch nicht groß genug ist, die Ängste zu groß sind, der Mut fehlt, neue Wege zu gehen und neu zu denken….ich weiß es nicht.
Ich denke es spielen viele Faktoren eine Rolle, der größte Faktor ist aber, nach meinem Empfingen und Hinfühlen, die ANGST unserer Gesellschaft und das krampfhalte Festhalten an alten Glaubensmustern.
Ich bleibe dran, weil es mir am Herzen liegt. Vielleicht braucht es noch etwas Zeit und Geduld bis es zu einem Wandel kommt. Die Ideen und Visionen sind ja schon lange da und sogar schon schriftlich fixiert und z.B. in der Bayerischen Verfassung von 1946, also kurz nach dem Kriegsende, im Artikel 131 formuliert. Die Verfasser haben den Krieg miterlebt und sich sicherlich etwas bei der Formulierung gedacht, denn dort heißt es:
BayVerf Artikel 131
(1) Die Schulen sollen nicht nur Wissen und Können vermitteln, sondern auch Herz und Charakter bilden.
(2) Oberste Bildungsziele sind Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor religiöser Überzeugung und vor der Würde des Menschen, Selbstbeherrschung, Verantwortungsgefühl und Verantwortungsfreudigkeit, Hilfsbereitschaft, Aufgeschlossenheit für alles Wahre, Gute und Schöne und Verantwortungsbewußtsein für Natur und Umwelt.
(3) Die Schüler sind im Geiste der Demokratie, in der Liebe zur bayerischen Heimat und zum deutschen Volk und im Sinne der Völkerversöhnung zu erziehen.
(4) Die Mädchen und Buben sind außerdem in der Säuglingspflege, Kindererziehung und Hauswirtschaft besonders zu unterweisen.
Wenn alleine diese 4 Punkte im Lehrplan wirklich berücksichtigt worden wären, ich glaube unsere Welt würde heute anders aussehen.
Ich wünsche Euch als Eltern auf jeden Fall einen ganz entspannten Umgang mit Noten und Abschlüssen, denn ich weiß unsere Kinder sind großartig und wir sind es auch, wenn wir uns nicht etwas anderes erzählen lassen.
Allen, die jetzt schon Ferien haben wünsche ich eine entspannte, gelassene Ferienzeit und ganz viel Vertrauen in Euch und Eure Kinder.
Ich schicke Euch ein Herzlicht, Eure Tanja
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